das Runde ins Eckige und alle rufen Tor




Fußball. Nicht unbedingt mein Thema. Mir fehlt da die Geduld. Neunzig Minuten lang einem Ball zu zusehen der dann doch nur ein bis zwei Mal in einem Tor landet. Ich muss allerdings zugeben, dass ich der WM dann doch ein klein wenig was abgewinnen kann. (erstens:) Ich mag die Spielpläne die ich überall nachgeworfen bekomme, ich trage dort gerne die Spiele ein (ich muss die Spiele nicht sehen, nur eintragen).  (zweitens:) mich rühren die Fußballer, wie sie sich freuen, wenn sie gewinnen, wie sie heulen wenn sie verlieren. (drittens:) mir gefallen die verschiedenen Nationalitäten, es freut mich immer wenn die Underdogs gewinnen (auch dafür muss ich kein Spiel sehen, mir reicht die Nachricht). Drei Punkte pro WM, den Rest find ich ziemlich ätzend (kurz ein paar Stichworte: dicke Eier, eingebildete Gockel, zu große Fahnen, untragbare Bedingungen in den Austragungsländern, etc.)
Ich wollte N eigentlich fern von diesem ganzen Circus halten. Jetzt kam aber alles anders...


...N entdeckte die Flaggen in seinem Atlas und zeigte ein großes Interesse dafür, nahezu zeitgleich fingen die ersten Läden/Schulen/etc an ihre WM-Deko aufzuhängen - überall Fahnen. N war aus dem Häuschen. Und natürlich: "Mama, warum hängen da so viele Fahnen?" ...hab ich ihm dann erklärt. Die nächsten Wochen dachte er dann, die WM fände bei uns um die Ecke in der Schule statt (weil da die meisten Fahnen hingen... nach einem Besuch bei meinem Onkel wusste er schon mehr: in Brasilien findet die WM statt und der Gewinner bekommt eine große goldene Tasse und vielleicht schüttet denen dann jemand auch einen Sprudel ein, vielleicht auch Saft oder Holunderblütensirup. Und im Urlaub campten wir direkt neben einem fußballbegeistertem Dreijährigen der sich ständig auf den Boden schmiss und "Foul" schrie. Da war die Sache mit dem "Fern halten" vorbei. Und nun, zum Beginn der WM schlägt auch C's altes Fußballerherz wieder höher und einige Spiele laufen auch in unserem Wohnzimmer. C hat sein altes Pseudo TipKick herausgekramt und seitdem steht ein Stadion in unserem Wohnzimmer, dass ich erst aufräumen darf, wenn wir (so N wörtlich) tot sind.
Im Kindergarten malt N dann solche Bilder, das ist unser Haus, mit Fahnen geschmückt (nein, es hängt in Wirklichkeit keine einzige Fahne bei uns):


N hat auch schon einen neuen "Wenn-ich-groß-bin" Wunsch geäußert. Ihr könnt es euch denken, ja? (da hat mir sein erster Wunsch, Paläontologe, mehr zugesagt). 
Und ich? Ich lehne mich jetzt zurück und erfreue mich an diesem Kind das vor Begeisterung sprüht und schelte mich für den Gedanken mein Kind von einem solchen Ereignis ausschließen zu wollen, nur weil ich selbst es blöd, doof, ätzend finde. Soll er sich freuen. Er trägt ein Deutschlandtattoo auf dem Arm. Er spielt mit C im Hof die Spiele nach, er ist meist Brasilien. Oder der Schiedsrichter. Er spielt mit seinen Dinos und Tieren Fußball, es spielen dann die Portuganer gegen die Deutschländer. Die Chilen gegen die Frankreicher.  Er kreiert sich seine ganz eigenen Regeln. Warum hat eigentlich nicht jede Mannschaft einen Ball? Und ganz toll: Er fragt für welche Mannschaft ich bin, und drückt dann ganz stolz für die gegnerische Mannschaft seine Daumen! Am Ende ist es ihm dann egal wer gewonnen hat. Seine Freude über die geschenkten Fußballkleber lässt er sich nicht nehmen: "schade dass da keine Deutschen dabei sind, aber die anderen haben auch schöne Gesichter"

Natürlich beeinflussen die eigenen Interessen das eigene Kind, und ich freue mich wenn er sich mit Dingen beschäftigt die mir gefallen, mich interessieren. Und dennoch oder gerade deshalb, hoffe ich, dass ich mich nie verkrampft darum bemühen werde, seine Neigungen und Interessen in meine Richtung zu lenken. Soll er Jäger oder Bankangestellter werden, ins Fitnessstudio gehen und sich die Haare geelen, solange er glücklich ist, will ich mit allem zufrieden sein.


Alraune

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